5. Reicht ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, um den Hilfebedarf abzudecken, der z.B. bei schweren Erkrankungen, Folgen von Behinderung usw. besteht ?

Nein, denn das bedingungslose Grundeinkommen schafft zuerst eine allgemeine Absicherung. Für besonderen Hilfebedarf, z.B. für das Anschaffen von technischen Hilfen oder die Unterhaltung medizinisch-pflegerischer Versorgung, muß es auch zukünftig eine zusätzliche Unterstützung geben.

Entscheidend ist darüber hinaus auch hier, daß das bedingungslose Grundeinkommen die normative Verpflichtung aufhebt, beruflichen Erfolg anzustreben. Gerade Bürger, die eine schwierige traumatisierte Lebensgeschichte haben oder – wie hier – durch körperliche oder geistige Behinderungen einer besonderen Unterstützung bedürfen, können diesen Anforderungen ja kaum oder nur erschwert nachkommen. Die Stigmatisierung, die damit einhergeht (die ja alle trifft, die nicht dieser normativen Erwartung nachkommen), die fehlende Anerkennung der Bürger als Bürger zeitigt auch hier Folgen. Das sozialpolitische Bestreben war bislang immer, auch hier eine Integration über Arbeit zu erreichen, sie würde durch das Grundeinkommen aufgehoben. Auch zukünftig wäre es denkbar, daß eine besondere, den Behinderungen eines Mitarbeiters gemäße Arbeitsplatzausstattung öffentlich gefördert wird. Fällt aber die allgemeine Orientierung an einer Arbeitsverpflichtung weg, werden die Bürger als Bürger anerkannt, stellt sich auch für Bürger mit Behinderung die Anerkennung im Gemeinwesen anders dar. Für das Berufsleben würden ebenfalls vielmehr die Leistungsbereitschaft und die Fähigkeiten zählen, statt durch Gesetze geschaffene vermeintliche Gleichstellungen, die heute schon stigmatisierend wirken.

6. Leistet das bedingungslose Grundeinkommen der menschlichen Verwahrlosung Vorschub ?

Dieser Einwand ist besonders voraussetzungsreich. Er geht nämlich davon aus, dass die menschliche Bildung und Entwicklung nur möglich ist, wenn den Menschen fürsorglich der richtige Weg gewiesen wird, ohne sie frei entscheiden zu lassen.

Dahinter steht letztlich die Vorstellung von einem Leben, das nur dann sich angemessen entfaltet, wenn es stets kontrolliert wird, ihm die Entscheidung nicht überlassen wird.

Die Familie ist der entscheidende Ort, an dem die Grundlagen dafür gelegt werden, als Erwachsener einmal Freiheitschancen maximal nutzen zu können und der Gemeinwohlbindung zu folgen. Selbstverständlich entfaltet sich der Einzelne nur so gut, wie eine Gemeinschaft ihm Erfahrungen dazu eröffnet und Verantwortung überlässt. Deswegen müssen wir als erstes die Familien stärken und sie davor schützen, in Existenznöte zu geraten, zumindest im Umfang eines bedingungslosen Grundeinkommens. Für diejenigen, die aufgrund einer traumatisierten Lebensgeschichte Schwierigkeiten haben, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, müssen wir Hilfsangebote bereitstellen. Doch keinesfalls dürfen wir sie ihnen aufdrängen. Wir wissen seit langem, dass nur derjenige eine Chance hat, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, der sich selbst dazu entscheidet, eine Hilfe anzunehmen. Für die anderen, die diesen Schritt nicht machen können, würde ein BGE zumindest ein Leben in Würde ermöglichen, ein Leben, das sie aus freien Stücken wählen. Wir müssen respektieren und damit leben, dass es immer Menschen in unserer Mitte geben wird, die Hilfe nicht anzunehmen bereit sind. Auch sie wären durch ein BGE geschützt und als Bürger anerkannt.

7. Muss dem Einzelnen ein Leben ohne Arbeit nicht sinnlos erscheinen ?

Ja, wenn er allein seine Arbeit als sinnstiftend erachtet. Aber auch ihm können wir nicht garantieren, dass er einen Arbeitsplatz finden wird, denn dazu bräuchten wir eine zentrale Regelung. Die wollen wir aber wegen der damit verbundenen Bevormundung nicht.

Darüber hinaus muss klar gesagt werden: Arbeit ist kein Privatvergnügen oder eine Freizeitbeschäftigung. Arbeit verdient diese Bezeichnung nur, wenn sie problemlösend ist, wenn die Bereitschaft besteht, sich einer Sache hinzugeben. Arbeit bedeutet also zum einen, sich an einer Widerständigkeit abzuarbeiten, zur Lösung eines allgemeinen Problems beizutragen; zum anderen enthält sie die Verpflichtung zur Erzeugung von Neuem, denn nur dies sichert den Fortbestand und Wohlstand unserer Gemeinschaft. Wer arbeiten will, muss also auch bereit sein, sich in den Dienst einer Sache zu stellen. Arbeit ist kein Konsumgut oder eine Maßnahme zur Hebung des Prestiges. Neuerungen sind in der Menschheitsgeschichte sehr wahrscheinlich immer nur dort entstanden, wo jemand bereit war, sich einer Problemlösungssuche hinzugeben, deren Ausgang offen war. Daher rührt auch die große Bedeutung der Wissenschaften als Ort der Erzeugung von Neuem. Das BGE eröffnet die Möglichkeit, sich frei zur Arbeit zu entscheiden; damit schafft es eine andere Basis für die Erzeugung von Neuem, als wir sie gegenwärtig haben. Freiwilligkeit und Identifikation mit einer Sache sind Bedingungen der Möglichkeit von Neuerung. Nicht also wird das BGE die Bereitschaft zur Leistung und Hingabe an eine Sache zerstören, es wird sie vielmehr verstärken und klarer hervortreten lassen, von welch großer Bedeutung sie für uns ist. Künstler und Wissenschaftler z.B., die nicht durch die Anstellung in einer öffentlichen Einrichtung abgesichert sind, könnten mit einem BGE weiter ihrer Neugierde folgen, um Werke zu schaffen.

Nur demjenigen, der sich keine Sinnstiftung jenseits der Arbeit vorzustellen vermag, erscheint ein Leben ohne Arbeit sinnlos. Andere sehen, daß ein Engagement für die Gemeinschaft und die Hinwendung zu den Kindern genauso wertvoll und damit sinnstiftend ist, wie das Erzeugen von Problemlösungen.