8. Warum sollten die Erwerbstätigen ein Grundeinkommen für diejenigen bezahlen, die nicht arbeiten wollen ?

Weil sie Bürger unserer politischen Gemeinschaft sind. Außerdem bezahlen auch heute schon u.a. diejenigen, die erwerbstätig sind, die Sozialleistungen, die der Allgemeinheit zugute kommen. Und das tun sie, weil der Volkssouverän befunden hat, dass wir ein solches System haben wollen.

Die Innovationsdynamik, die das BGE entfalten wird, kommt allen zugute, denen, die arbeiten und denen, die nicht arbeiten. Zwar erhält sich unsere politische Gemeinschaft auch und unter anderem dadurch, dass Problemlösungen erzeugt werden, aber eben nicht nur und nicht vor allem dadurch. Die bedingungslose Hingabe der Eltern an ihre Kinder, wodurch die Voraussetzung für ein autonomes und souveränes Leben geschaffen wird, müssen wir den Eltern ermöglichen. Welche Folgen es hat, dass die Väter in den Familien so viel abwesend sind, können wir erahnen und dass dies dauerhaft verantwortungslos ist, wissen wir. Wie wichtig für unsere Gemeinschaft das ehrenamtliche Engagement heute schon ist, muss hier nicht ausgeführt werden. Wie sehr es unter Bedingungen eines BGE zunehmen würde, können wir uns gut vorstellen. Denn dann ist dieses Engagement vollständig unabhängig davon, dass jemand über Erwerbsarbeit ausreichend Einkommen erzielt.

9. Wie wirkt sich das bedingungslose Grundeinkommen auf die wirtschaftliche Entwicklung aus ?

Innovation würde belohnt und bestärkt. Technologische Problemlösungen könnten entwickelt und radikal genutzt werden, um menschliche Arbeitskraft dort einzusparen, wo es praktisch vernünftig ist. Alle standardisierbaren Arbeitsgänge könnten standardisiert und dadurch auch automatisiert werden.

Wie groß dieses Potential ist, können wir vermuten, indem wir mit offenen Augen durch die Welt gehen. Verlässliche Aussagen lassen sich darüber nicht machen. Durch Automatisierung repetitiver Arbeitsgänge würde die Wertschöpfung zunehmend über den Faktor Kapital getragen und die Innovationsleistungen an menschliche Arbeitskraft gebunden. Alle zur Suche nach Neuerung bereiten Bürger würden durch das BGE abgesichert und müssten nicht um ihre Existenz fürchten. Sie könnten sich frei dem müßigen Erkunden des Unbekannten überlassen und wären nicht von einer Marktgängigkeit ihrer Entdeckungen abhängig. Dies gilt in allen Bereichen: der Wirtschaft, der Kunst und der Wissenschaft. Das BGE kann hier mit Fug und Recht als Innovationsmotor bezeichnet werden.

Aber auch die Gütermärkte werden sich wandeln. Güter, die ihre Existenz heute dem Sozialprestige verdanken, das mit ihnen erworben wird, werden sehr wahrscheinlich an Bedeutung verlieren. Denn Sozialprestige erwirbt man unter Bedingungen des BGE dadurch, dass man etwas für die Gemeinschaft um ihrer selbst willen tut, ganz gleich in welchen Bereichen. Auch die Freizeitindustrie wird sich verändern, denn unter Bedingungen des BGE wird deutlich hervortreten, wie sehr die Freizeitindustrie fremdbestimmt die gewonnenen Freiheiten verschwendet. Wer sie verschwenden will, hat die Freiheit dazu, doch steht zu erwarten, dass die Bürger dieser Verschwendung nicht mehr im selben Umfang frönen werden. Die finanziellen Mittel, die heute in solche Wirtschaftszweige investiert werden, würde für Investitionen in anderen Bereich frei.

Für Unternehmen, die eine Verpflichtung zur Innovation haben, denn sie nutzen unsere Ressourcen – Rohstoffe, Lebenszeit und Wissen –, wäre ein Land, indem es ein BGE gibt, ein begehrter Standort. Dazu müssen wir nur die entsprechenden Entscheidungen treffen, denn auch Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten.

Unternehmen müssen unter Bedingungen eines BGE um leistungsbereite Arbeitnehmer werben, ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten. Arbeitnehmer haben die Freiheit, unter schlechten Arbeitsbedingungen nicht arbeiten zu müssen, wie es heute schon für die sogenannten „High Potentials“ gilt. Der Arbeitsmarkt wäre ein wirklicher Markt, in dem beide Seiten gleichermaßen mächtig wären. Die Annahme von Arbeitsbedingungen seitens eines Arbeitnehmers würde die Verpflichtung, sich in den Dienst des Unternehmens zu stellen, verstärken. Die Identifizierung mit einem solchen Arbeitsplatz wäre höher als heute. Allerdings hätte er auch die Möglichkeit, ohne weiteres diesen Arbeitsplatz aufzugeben.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen versus Negative Einkommensteuer ?

Mittlerweile werden bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) und Negative Einkommensteuer (NE) häufig in einem Atemzug genannt, so auch auf der Internetseite des Netzwerk Grundeinkommen Deutschland., in Vorschlägen zu einer Grünen Grundsicherung und zum Solidarischen Bürgergeld.

Ein Grund, weshalb Unterschiede zwischen beiden leicht übersehen werden, rührt wohl von der bloß rechnerischen Betrachtung her. Eine Negative Einkommenssteuer, wie der Begriff schon sagt, erteilt demjenigen, der keines oder kein ausreichendes Erwerbseinkommen erzielt, eine Steuergutschrift. Ob er dieser bedarf kann erst nach Ablauf eines definierten Zeitraums – z.B. eines Monats, eines Quartals, eines Jahres – oder unter Vorbehalt im voraus festgestellt werden. Damit bleibt das Ideal aufrechterhalten, über Erwerbsarbeit ein Einkommen zu erzielen und nachzuweisen, wenn das nicht der Fall ist. Auch wenn der Weg hierfür eine einfache Steuererklärung sein könnte, so muß der Betreffende sich doch erklären. Das ist nicht nur technisch von Bedeutung. Liegt die Erklärungspflicht beim Betroffenen, wird damit zugleich ein Ideal aufrechterhalten, das besagt: erwerbsförmige Tätigkeiten sind wichtiger als nicht-erwerbsförmige. Die Steuergutschrift erfolgt ja erst, wenn ein Bedarf, also das Fehlen eines Erwerbseinkommens festgestellt worden ist. Im Unterschied zum BGE ist die Steuergutschrift also nicht immer und ohne Erklärung verfügbar.

Die Behauptung, es bestehe kein Unterschied zum BGE rührt also daher, daß der Zusammenhang zwischen Gewährungsbedingung und Anerkennung einer Tätigkeit nicht betrachtet wird. Wer sein Augenmerk auf die verfügbare Einkommenssumme richtet, die eine Person – bei aller Einhaltung der häufig genannten, ein BGE auszeichnenden Kriterien – bei Finanzierung über eine NE zur Verfügung hat, übersieht, welche Bedeutung die Gewährungsbedingungen für die Bewertung von Tätigkeiten haben. Entscheidend ist nicht die Summe alleine, sondern, wie sie sich zusammensetzt und unter welchen Bedingungen ich sie erhalte.

Wird ein Grundeinkommen mit anderen Einkommen (aus Erwerb, Vermögen u.a.) verrechnet – das wäre ja auch bei der Steuergutschrift der Fall – ist es nicht mehr bedingungslos, wird es nicht mehr dem Bürger als Bürger gewährt. Das BGE ist dann kein Einkommen, das die Bürger um ihrer selbst willen erhalten und zu jeder Zeit verfügbar haben, ohne sich erklären zu müssen. Im Unterschied zur NE werden im Transfergrenzenmodell von Helmut Pelzer und Ute Fischer Einkommen nicht mit dem BGE verrechnet, die Bezieher müssen sich also in Bezug darauf auch nicht erklären, denn das Transfergrenzenmodell wird durch eine Sozialabgabe finanziert, die BGE-unabhängig ist. Diese Sozialabgabe (in Prozent) wird aus der Summe der Bruttoeinkommen (Erwerbseinkommen, Vermögenserträge, Altersbezüge etc.), die auch heute schon beim Finanzamt gemeldet werden, berechnet. Bei steigendem Bruttoeinkommen aus diesen Quellen erreicht die Sozialabgabe einen Betrag, der höher ist als das Grundeinkommen, das die Person bezieht. (Grundeinkommen minus Sozialabgabe). So wird diese Person zum Nettozahler, sie zahlt mehr Sozialabgabe, als sie Grundeinkommen erhält. Damit verschwindet aber das Grundeinkommen nicht, es bleibt unangetastet. Daß es so aussieht, als verschwände es, ist ein rechnerischer Effekt, sofern bloß die verbleibende Einkommenssumme (Grundeinkommen plus alle anderen Einkommen nach Steuern) betrachtet wird.

Für die wünschbaren und erstrebten Auswirkungen eines BGE ist seine Ausgestaltung entscheidend. Nur, wenn es als ein Einkommen gewährt wird, für das keine Rechenschaftspflicht besteht, nur also, wenn es mit keinen anderen Einkommensarten verrechnet wird, sondern von diesen immer unabhängig bleibt, stärkt ein BGE die Solidarität unseres Gemeinwesens und die freie Entfaltung der Bürger.